Udo Zimmermann
Komponist der Oper Leipzig
Udo Zimmermann genießt als Komponist hohe internationale Anerkennung. Seine Opernwerke gehören zu den meistgespielten der Gegenwart. Als Dirigent arbeitete er mit Orchestern der internationalen Spitzenklasse. Als er sich 1990 entschlossen hatte, das Amt des Intendanten der Oper Leipzig zu übernehmen, stellte er sein eigenes künstlerisches Schaffen zurück und widmete sich mit seiner gesamten Persönlichkeit der Oper Leipzig.
Er hat dieses Haus geführt, wie ein Künstler sein Werk schafft: mit der gleichen Unbedingtheit und Authentizität, mit seinem gesamten Denken, Fühlen und Wollen.
Einen hohen Anspruch hat er verkündet, als er nach Leipzig kam: „Musik aus dem Geist des Theaters – Theater aus dem Geist der Musik zu ermöglichen, Zeugnis abzulegen von der Qualität sächsischer Theaterkunst in einem europäischen Deutschland. Es war sein Ziel, die Oper Leipzig zu einem der ersten Häuser in Europa zu entwickeln.
Nach elf Jahren leidenschaftlicher Arbeit für das Leipziger Musiktheater hat er diesen Anspruch in vollem Maße erfüllt, angesichts der Rahmenbedingungen, unter denen die Arbeit stand, eine Leistung, die an Unmögliches grenzt - mit 62 Opernpremieren darunter 35 Inszenierungen von Werken des 20. Jahrhunderts und 11 Uraufführungen von Auftragswerken, mit 21 Ballettpremieren und 35 Premieren in der Musikalischen Komödie.
Die Oper Leipzig steht heute in dem Ruf eines avancierten Musiktheaters, das sich sowohl in modellhaften Inszenierungen mit den großen Traditionen der Gattung auseinandersetzt, als auch –höchst erfolgreich - sich dem Experiment des neuen Werkes verschrieben hat, und sich zu einer Identität als Mehrsparten-Musiktheater bekennt - mit Oper, Operette, Musical und mit Ballett.
Sein Engagement für das zeitgenössische Werk wurzelt nicht in einer Verpflichtung gegenüber dem Schaffen der Gegenwart, sondern in der Liebe zum Neuen, noch Ungehörten, zum Abenteuer des Wanderns in noch unentdecktem Land. Er hat Kompositionsaufträge erteilt und die Uraufführung von Auftragswerken ermöglicht. Spektakuläre Uraufführungen konnten seit 1990 dem Publikum präsentiert werden: wie Jörg Herchets „Nachtwache“ in der Regie von Ruth Berghaus, und „Abraum“ in der Inszenierung von Peter Konwitschny, Karlheinz Stockhausens DIENSTAG und FREITAG aus seinem Zyklus LICHT in der Regie von Uwe Wand, Dieter Schnebels „Majakowskis Tod – Totentanz“ in einer Inszenierung von Achim Freyer.
Sternstunden des Musiktheaters hat es viele gegeben in diesen vergangenen elf Jahren, von glanzvollem Sängertheater wie im Falle von Nikolaus Lehnhoffs „Salome“-Inszenierung bis zu großen Momenten der Regie, als Georges Tabori Moses und Aron auf die Bühne brachte, Ruth Berghaus die Uraufführung von Jörg Herchets „Nachtwache“ szenisch realisierte, Peter Konwitschny „Herzog Blaubarts Burg“, „La Boheme“, „Eugen Onegin“ und spektakulären Ausnahmeereignissen wie der deutschen Erstaufführung von Olivier Messiaens Monumentalwerk „Saint Francois d’Assise.
Es ist Udo Zimmermann zu verdanken, dass er Uwe Scholz als Ballettdirektor und Chefchoreograf an die Oper Leipzig geholt hat, dass Leipzig ein europäisches Ballettzentrum geworden ist, und dass Uwe Scholz hier mit seinem Leipziger Ballett Choreografien geschaffen hat, über die in der Welt gesprochen wird, wie „Die Schöpfung“, „Bachkreationen“, „Pax Questuosa“, „Die große Messe“ oder „Gloria in excelsis deo“.
Enorme Widerstände waren auf diesem künstlerischen Weg seit 1990 zu überwinden. Gravierende Etatkürzungen bedrohten die künstlerische Substanz und die Leistungsfähigkeit des Hauses. Udo Zimmermann hat sich in diesen schwierigen Situationen als bewunderungswürdiger Kämpfer für sein Haus bewiesen, als glänzender Diplomat und als kluger Stratege. Es ist ihm zu verdanken, dass sich heute noch in der Musikalischen Komödie der Vorhang hebt, dass es heute die Ballettschule der Oper gibt, dass die künstlerische Leistungsfähigkeit des Leipziger Musiktheaters erhalten werden konnte und die Oper Leipzig heute zu den ersten Häusern von europäischem Rang gehört. Als Intendant hat er sich bei den künstlerischen Ensembles und allen Mitarbeitern des Hauses größte Hochachtung und Sympathie erworben, weil man erleben konnte, wie er dieses Amt geführt hat mit höchstem moralischen Anspruch an sich selbst, verantwortungsvoll, souverän, integer, ebenso unerbittlich wie gerecht und fast fürsorglich seinen Mitarbeitern gegenüber.
Er öffnete sein Haus für kulturpolitische Diskussionen, veranstaltete interessante Ausstellungen, holte die Leipziger Jazz-Tage in die Oper. Er hat mit seiner künstlerischen Arbeit an der Oper Leipzig die Rolle eines Anregers und Moderators kultureller Prozesse übernommen und wesentlich dazu beigetragen, dass es in unserer Stadt kulturelle Visionen gibt. In das Spannungsfeld zwischen Kultur und Politik hat er Phantasie und Bewegung gebracht.
So konnte sich dieses Haus eine Identität erarbeiten, die sich bezieht auf die kulturelle Landschaft der Stadt Leipzig, auf den geistigen Ort und seine Geschichte. Udo Zimmermann hat sich nicht nach Moden und dem Trend zum Kulinarischen gerichtet, sondern auf die Unbedingtheit der Opernkunst gesetzt. Das künstlerisch Notwendige war für ihn immer sowohl die szenische und musikalische Qualität als auch die humanistische Botschaft, die von der Musiktheaterbühne ausgehen kann. Er ist überzeugt davon, dass Theater, Musiktheater im Besonderen, etwas dafür tun kann, eine der großen Utopien der Kunst zu bewahren: den Menschen teilnehmen zu lassen am Menschen und einen Beitrag zu leisten zur Humanisierung der Gesellschaft.
In Würdigung seiner hervorragenden Verdienste wird Herr Prof. Udo Zimmermann zum Ehrenmitglied der Oper Leipzig benannt.