Der Thomanerchor Leipzig

Auf mehr als 800 Jahre beeindruckende Geschichte und Tradition darf der Leipziger Knabenchor bereits zurück blicken. Die Ursprünge des international renommierten Chores liegen im Jahr 1212. Leipzig besaß erst seit kurzer Zeit das Stadt- und Marktrecht, als an die Thomaskirche eine Schule angegliedert wurde, in der die Knaben in erster Linie dafür ausgebildet werden sollten, den musikalischen Dienst in der Kirche zu übernehmen. Die Leipziger Thomasschule war für Bürgerkinder zugänglich und gilt somit als älteste öffentliche Schule Deutschlands. In den ersten 300 Jahren ihres Bestehens blieb sie auch die einzige Schule der Stadt. Man kann also behaupten, dass der Thomanerchor Leipzigs älteste Kultureinrichtung ist. Die Aufgaben des Chores erfüllten einen sehr hohen Stellenwert in der mittelalterlichen Liturgie. Die Thomasschüler sangen als Gegenleistung für ihre Schulbildung und Unterkunft, bei den Gottesdiensten, Taufen, Hochzeiten, Begräbnissen und bei Veranstaltungen der Ratsmitglieder. Seit der Reformation in Leipzig, stehen die Thomasschule und auch der Chor unter städtisches Patronat. Bis heute hat sich das Zusammenspiel von Chor und Schule erhalten. Die Thomaner leben, lernen und proben im knapp 1000 Meter vom historischen Standort entfernten Alumnat und besuchen das gegenüberliegende Thomasgymnasium. Die wichtigste Aufgabe der Nachwuchsarbeit des Chores ist es, seine Einzigartigkeit zu erhalten, damit der besondere Klang weiterhin unverwechselbar bleibt und ein internationales Publikum erfreuen kann.

Bildnachweis: Birgit Winter / pixelio.de

Wie wird man ein Thomaner?

Um ein Sänger im Thomanerchor zu werden, sollte man schon in frühen Jahren ein besonderes Interesse und eventuelle musikalische Begabungen an den Tag legen. Schon im Grundschulalter können Jungen als Thomaneranwärter vorbereitet werden. Auf der Suche nach stimmlich begabten Jungen gehen die Musikpädagogen des Thomanerchores jedes Jahr in die Leipziger Kindertagesstätten. Begabte Jungen werden zu einer Schnupperstunde eingeladen und können nach einem kleinen Vorsingen als Thomaneranwärter ihren Weg zum Thomanerchor starten. Viele Thomaneranwärter besuchen die zentral gelegene Anna-Magdalena-Bach-Grundschule. Dort können die Jungen, vom ersten Schuljahr an, die Thomaner-Vorbereitungsklassenbesuchen. Voraussetzungen für die Teilnahme an den Klassen sind Freude am Singen, Interesse an Instrumentalunterricht und natürlich eine gesunde Stimme. In einer kleinen Aufnahmeprüfung wird die Eignung festgestellt und es wird eine Empfehlung für die weitere Ausbildung ausgesprochen. Die Jungen erhalten intensiven Klavier- und Gesangsunterricht. Außerdem singen sie jeden Tag in kleinen Gruppen und bekommen Musiktheorie- und Gehörbildungsunterricht. Mit der vierten Klasse kommt dann die Aufnahmeprüfung für den Chor. Jeder Teilnehmer singt zwei Lieder, trägt ein Stück am Klavier oder auf einem anderen Instrument vor und singt eine Melodie vom Blatt. Er muss zeigen, dass er über Grundwissen in Musiktheorie verfügt. Ab der vierten Klasse treten die Jungen in den Chor ein. Sänger im Thomanerchor brauchen eine kräftige und entwicklungsfähige Stimme. Besonders wichtig ist außerdem ein hohes Maß an Disziplin, denn als Thomaner muss man täglich proben und auf einem Instrument üben. Gute schulische Leistungen und ein Rückhalt in der eigenen Familie, die all das mitträgt, sind dabei ebenso notwendig. Die Sänger werden belohnt mit der Teilhabe am ganzen Reichtum der geistlichen Musik, der Teilnahme an Konzertreisen und dem Leben in einer einzigartigen Gemeinschaft.

Musikalische Botschafter der Stadt Leipzig

Seit der ersten Auslandstournee 1920 unternahm der Thomanerchor immer wieder längere Konzertreisen quer durch Europa und die ganze Welt. In den vergangenen Jahrzehnten war der Knabenchor nicht nur mehrfach in Dänemark, Norwegen, Schweden, Frankreich, der Schweiz, Österreich und der Tschechoslowakei unterwegs, sondern auch zu Gast in Belgien, Ungarn und Italien. Natürlich besuchte der Thomanerchor während der Teilung Deutschlands mehrfach die Sowjetunion und das Nachbarland Polen. Mit Reisen nach Westberlin und in die BRD, nach Japan, Finnland, Luxemburg, Spanien und Liechtenstein überwand er damals sogar politische Grenzen. 1955 sang der Thomanerchor das erste Mal auf dem amerikanischen Kontinent. Die musikalische Reise führte nach Brasilien, Uruguay und Argentinien. 20 Jahre später eroberte sich der Chor die Herzen der begeisterten Japaner, die besonders für die Musik des ehemaligen Thomaskantors Johann Sebastian Bach schwärmen. Seitdem ist der Chor regelmäßig zu Gast im Land der aufgehenden Sonne gewesen. Am 3. März war der Thomanerchor zu einer Konzertreise erstmals nach Singapur und Australien aufgebrochen. Die „Bach-Voices“ wie sie auch dort angekündigt werden, haben die Herzen ihrer Zuhörer im Sturm erobert. Nach den Angaben der Veranstalter gab es bisher wohl nur selten bei Konzerten ähnliche Begeisterungsstürme wie nach den Konzerten mit den Thomanern, vor allem in Sydney und nach dem ersten Konzert in Melbourne. Das Leipziger Publikum darf dem traditionsreichen Chor regelmäßig bei Gottesdiensten oder Konzerten in der Leipziger Thomaskirche lauschen. Besonders beliebt sind beim hiesigen Publikum die Konzerte zur Weihnachtszeit.

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